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Ein Platz für Professor Gritzmeck: Das Marmeltier

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Ein Platz für Professor Gritzmeck: Das Marmeltier

Meine lieben Freunde, heute möchte ich Ihnen einmal nicht über eine Reise in ferne Kontinente berichten, sondern über ein Tier, das eigentlich direkt vor unserer Haustür lebt, das aber nur wenige von Ihnen kennen. Ich meine das Marmeltier, das früher ganz Mitteleuropa bevölkerte und jetzt leider, wie so viele andere unserer Tiere, vom Aussterben bedroht ist.

Eines seiner letzten natürlichen Verbreitungsgebiete ist die urwüchsige Landschaft um Bad Schwarzau in der Nähe von Lübeck, eins der letzten Trockengebiete Mitteleuropas. Und hierhin begaben wir uns, um die letzten Marmelbestände in freier Natur zu beobachten.

Nach einer beschwerlichen Anreise über die verstopften norddeutschen Autobahnen erreichten wir Bad Schwarzau, und von hier aus ging es in einem kilometerlangen Anmarsch mit der gesamten Ausrüstung auf den Schultern in jenes Naturschutzgebiet, in dem das Marmeltier noch zu finden sein soll.

Hier haben viele bedrohte Tierarten ihre letzte Zuflucht gefunden. So sahen wir die letzten noch wildlebenden Exemplare des kurzschwänzigen Straßenköters und konnten den Busenstar beim Säugen seiner Jungen beobachten. Nur das Marmeltier blieb uns anfangs verborgen.

Bis zum Abend dauerte die Suche, aber wir bekamen es nicht zu Gesicht. Als dann aber die Dunkelheit hereinbrach, konnten wir von weit, weit her die Brunftschreie von einigen Marmeltieren vernehmen. Bis in die tiefe Nacht dauerte dieses Konzert. Männchen und Weibchen stoßen bei der Paarung abwechselnd laute Schreie aus.

Am nächsten Morgen machten wir uns auf die Suche nach den Plätzen, an denen sich die Tiere gepaart hatten, um wenigstens die Zeugnisse ihrer Anwesenheit zu bekommen. Und schon bald fanden wir den ersten Ort und fanden dort jene Drüsensekrete, die das Marmelmännchen im Zustand höchster Erregung absondert und die seit Jahrhunderten von den Menschen zur beliebten Marmelade verarbeitet werden.

Nach einer systematischen Untersuchung des Geländes führten uns die wohlriechenden Spuren seines Sekrets zu einer gewaltigen Unterkiefer, in deren mächtigen Wurzeln das scheue Tier seine Zuflucht gefunden hatte. Hier bauten wir gut getarnt unsere Filmausrüstung auf und verbrachten den Rest des Tages damit, auf unser Marmel zu warten.

Am späten Nachmittag dann zeigte sich endlich das Tierchen. Es kam heraus aus seinem Bau, sehr vorsichtig und sehr mißtrauisch und begann, seine Mahlzeit einzunehmen. Es aß Früchte und Blätter von Sträuchern und kleinen Bäumchen und verschmähte auch ab und zu einen Käfer nicht. Dabei war es aber immer auf der Hut, sich beim kleinsten Anzeichen einer Störung zu verstecken. Sein braun schimmernder Pelz und der buntgefiederte Schwanz taten ein übriges, um ihm eine blitzschnelle Tarnung zu erleichtern.

Anfangs konnten wir nur dieses eine Tier beobachten. Wir verfolgten es äußerst vorsichtig auf seinem Weg, doch dann auf einer kleinen Lichtung sahen wir fünf dieser putzigen Gesellen, die sich erst beschnupperten und dann die Paarung vollzogen. Das war ein gewaltiges Hin und Her bei diesen putzigen Tierchen und das erste Mal konnten wir die imposanten Brunftschreie aus allernächster Nähe hören.

Meine lieben Freunde, dies kann das letzte Mal gewesen sein, daß Sie dieses possierliche Tierchen sehen und hören konnten. Die Kolonie ist bereits vom Aussterben bedroht. Durch den rücksichtslosen Gebrauch von Insektenvernichtungsmitteln ist auch diese Art äußerst gefährdet. Ich werde daher am Ende der Sendung wieder meine Kontonummer einblenden, damit auch Sie Ihren Teil dazu beitragen können, daß hier eine Landschaft erhalten bleibt, in der Tiere und Pflanzen noch glücklich und zufrieden miteinander leben können.

Nur wenige zoologische Gärten können das Marmeltier heute noch vorweisen, aber auch hier ist es meistens degeneriert und nicht mehr allein lebensfähig.

Heute wird das Marmeltier für die großen Marmeladenfabriken in großen Marmelbatterien gehalten, wo die Tiere ständigem sexuellem Streß ausgesetzt werden, um einen größtmöglichen Ausstoß an Marmelade zu erhalten. Es wurden besondere Rassen gezüchtet, deren Sekrete zu Vierfruchtmarmelade verarbeitet werden. Und neue exotische Geschmacksrichtungen kommen ständig dazu. Sie, liebe Freunde, können Ihren Teil zur Beendigung dieser Grausamkeiten beitragen, indem Sie das Marmeladenglas von Ihrem Frühstückstisch verbannen.

In der nächsten Folge werde ich Ihnen dann berichten, wie der Honig gewonnen wird. Wie täglich Millionen von Bienen in gewaltigen Maschinen erschlagen, erdrosselt und geköpft werden, nur damit ein Glas Honig auf Ihrem Frühstückstisch stehen kann.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

© Dieter Brügmann, 1985

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Letzte Aktualisierung dieser Seite: 13.11.2007, 14:59